Was für eine Nacht! Am gestrigen Abend verwandelte Hans Zimmer die Uber Arena in Berlin in eine Klangkathedrale, die alle Erwartungen an ein traditionelles Konzert sprengte. Es war absolut fantastisch; ein Sounderlebnis von solcher Wucht und Detailtiefe in einer großen Arena ist beispiellos und macht diese Show zu einem Muss für jeden Filmfan. Zimmer bewies, dass die Musik, das wahre Herzstück des Kinos, nicht nur auf die Leinwand, sondern mit voller emotionaler Kraft in die größten Hallen der Welt gehört.
Der Meister selbst: Ein Blockbuster-Komponist mit Rock-’n‘-Roll-Seele
Hans Zimmer, der gefeierte, 67-jährige deutsche Komponist, ist eine Legende, deren Name synonym mit den größten Blockbustern der letzten Jahrzehnte ist. Er hat die Soundtracks zu Filmen wie „The Dark Knight“, „Dune“ und „James Bond“ geschaffen und für seine exemplarische Arbeit zwei Oscars und fünf Grammy-Statuen gewonnen. Zimmer, der einst in der Band The Buggles spielte, die mit „Video Killed the Radio Star“ Musikgeschichte schrieb, überraschte die Welt, als er 2024 eine Nordamerika-Arena-Tour ankündigte. Die Frage, wie ein Hans-Zimmer-Konzert ohne Dirigent, Notenblätter und vor allem ohne Filmbilder aussehen würde, war die größte Intrige. Doch die gewaltige Nachfrage und ausverkaufte Hallen bewiesen: Seine Fangemeinde, bestehend aus Tausenden von zwanzig- bis dreißigjährigen Hipstern mit einer tiefen Liebe zu filmischen Scores, ist gigantisch. Zimmer ist nicht nur ein Komponist, sondern ein Showman, der mit verschmitztem Grinsen und kleinen Späßen zwischen den dramatischsten Stücken das Eis bricht.
Die kühne Vision: Eine Rock-Oper ohne Leinwand
Zimmer erfüllte seine kühne Vision: Er verzichtete bewusst auf jegliche Filmausschnitte. Diese Entscheidung war brillant. Ohne die Bilder auf der Leinwand wurden die Wechsel in Ton und Intensität der Musik viszeraler, persönlicher und drängender. Stattdessen stand das 50-köpfige Ensemble im Vordergrund: Flöten- und Cellospieler, eine wildhaarige Geiger und Violinenspieler, zwei passionierte Schlagzeugerinnen im Zentrum – diese talentierte Gruppe war frei, epische, freigeistige Musik zu kreieren, die zu gleichen Teilen kontrollierte Oper und theatralische Rockshow war. Die Musiker agierten ohne Notenblätter, was die Musik unvorhersehbar, dynamisch und lebendig machte. Für die vollen drei Stunden des Konzerts fühlte sich jeder im Publikum wie der Hauptcharakter eines von Zimmer vertonten Films – ein wahr gewordener Traum für jeden Cineasten.


Fotos (C)Dennis Hahn / BerlinMagazine.de
Akt I: Dunkle Helden, antike Epen und geistreiche Abenteuer
Der erste Akt startete sofort mit einer geballten Ladung Dunkelheit und Drama aus dem Batman-Universum: Mit „Like a Dog Chasing Cars“ und dem drängenden „Why So Serious?“ aus „The Dark Knight“ sowie „Gotham’s Reckoning“ aus „The Dark Knight Rises“ wurde das Publikum in die düstere Welt Gothams katapultiert. Die Stimmung wechselte abrupt mit „Paul’s Dream“ aus „Dune“, das eine erste mystische und unheilvolle Note setzte. Es folgte eine heldenhafte Phase mit „What Are You Going to Do When You Are Not Saving the World?“ und dem epischen „Flight“ aus „Man of Steel“.
Das Set nahm eine faszinierende Wendung hin zu psychologischer Tiefe und Spannung mit „To Every Captive Soul“ („Hannibal“) und dem spirituellen Choral „Chevaliers de Sangreal“ aus „The Da Vinci Code“. Der unbestrittene Höhepunkt des ersten Akts war die monumentale „Gladiator“-Suite, die mit Stücken wie „Homecoming“, dem wuchtigen „Barbarian Horde“ und dem emotionalen Finale „Honor Him“ und „Now We Are Free“ eine Welle kollektiver Rührung und Gänsehaut auslöste. Die Musik vermittelte das Gefühl von Schmerz, Triumph und Erlösung in antiker Arena. Den Abschluss vor der Pause bildeten die energiegeladenen, jazzigen und exzentrischen Stücke „Psychological Recovery“ und „Discombobulate“ aus „Sherlock Holmes“, die den Übergang zu einem leichtfüßigeren, geistreichen Ton markierten.
Akt II: Im Sog der Träume, Sterne und Savannen
Nach der kurzen Pause stürzte der zweite Akt das Publikum direkt in die komplexen Klanglandschaften von „Inception“ mit „Half Remembered Dream“ und dem chaotischen „Dream Is Collapsing“. Der Adrenalinspiegel stieg weiter mit „160 BPM“ aus „Angels & Demons“ und dem ergreifenden, patriotischen Klang von „Tennessee“ aus „Pearl Harbor“. Eine absolute Überraschung war die Inklusion des pulsierenden Tracks „F1“ aus der Formel-1-Musik. Der Bogen spannte sich von der Hektik der Gegenwart zur meditativen Ruhe von „A Time of Quiet Between the Storms“ aus „Dune: Part Two“ und den tiefen, exotischen Klängen von „Beyond Rangoon“.
Der zentrale, emotionale Kern des zweiten Sets war die „Interstellar“-Suite, die Zimmer als eine spirituelle Reise anlegte. Stücke wie „Day One“, „Cornfield Chase“, das herzzerreißende „Coward“ und das ultimativ-sehnsüchtige „S.T.A.Y.“ ließen das Publikum zwischen den Sternen schweben, untermalt von einem Disco-Kugel-Lichtspiel, das ein Gefühl der himmlischen Erhabenheit erzeugte. Die Übergabe an die Vokalisten erfolgte mit „The Journey, Kopano Pt.3“ („Tears of the Sun“), bevor die Arena in afrikanische Rhythmen versank: Die „Lion King“-Suite mit Elton Johns „Circle of Life“ und den packenden Stücken „Busa“ und „Stampede“ brachte das Publikum zum Toben. Daraufhin folgte die triumphale „Pirates of the Caribbean“-Suite, bei der das Orchester mit „The Kraken“, „Jack Sparrow“ und „One Day“ seine Rock-Attitüde voll ausspielte. Der Abend fand seinen majestätischen Abschluss im ultimativen Zugabenstück „Time“ aus „Inception“, dessen tragische, doch erhabene Melodie das Auditorium in einem Zustand tiefster Ergriffenheit zurückließ.




Fotos (C)Dennis Hahn / BerlinMagazine.de
Fazit – Das verdient den zweiten Oscar
Dieses Konzert war in seiner Gesamtheit ganz großes Kino. Der Sound war an diesem Abend schlichtweg überragend – bei einem Künstler von Hans Zimmers Kaliber war dies zwar zu erwarten, aber die Wucht und Klarheit, mit der das 50-köpfige Ensemble die riesige Arena füllte, übertraf jede Erwartung. Hans Zimmer selbst präsentierte sich von seiner besten Seite: sehr freundlich, glücklich und sichtlich gerührt von der Reaktion der Berliner. Er scheute sich nicht, das Publikum auf Deutsch anzusprechen, auch wenn er humorvoll bemerkte, dass ihm die Muttersprache nach all den Jahren in den USA inzwischen schwerfalle. Er besitzt das Talent, mit seinen Musikern klein anzufangen und das größtmögliche Crescendo zu erreichen, was das faszinierte Publikum in einen tranceartigen Zustand versetzt. Wer Filme liebt und die Kraft der Musik spüren möchte, muss diese Erfahrung live erleben. Für diese vollständig realisierte, epische Live-Vision hätte Hans Zimmer zumindest seinen zweiten Oscar verdient.
 
					






 
							





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