Dreißig Jahre ist es her, dass das Reichstagsgebäude in Berlin die Welt in Staunen versetzte: Die legendäre Verhüllung des Reichstags durch das Künstlerpaar Christo und Jeanne-Claude prägte das Bild einer wiedervereinigten Nation und wurde zu einem der ikonischsten Kunstwerke im öffentlichen Raum. Anlässlich dieses denkwürdigen Jubiläums wird der Berliner Reichstag vom 9. bis zum 20. Juni 2025 in einer beeindruckenden Lichtinstallation neu inszeniert – eine Hommage an ein Meisterwerk der Kunstgeschichte.
Das historische Projekt: Christo und Jeanne-Claudes „Wrapped Reichstag“ (1995)
Die Idee zur Verhüllung des Reichstags entstand bereits in den 1970er Jahren. Christo (Christo Vladimirov Javacheff, 1935-2020) und seine Frau und Partnerin Jeanne-Claude (Jeanne-Claude Denat de Guillebon, 1935-2009) waren bekannt für ihre monumentalen Kunstprojekte, bei denen sie große Objekte, Gebäude oder Landschaften mit Stoff verhüllten. Ihr Ansatz zielte darauf ab, vertraute Dinge in einem neuen Licht erscheinen zu lassen, die Wahrnehmung zu schärfen und eine temporäre, einzigartige Ästhetik zu schaffen. Der Prozess selbst – von der Idee über die Genehmigungsphase bis zur Realisierung – war stets integraler Bestandteil ihrer Kunst.
Der Reichstag in Berlin war für Christo und Jeanne-Claude ein besonders symbolträchtiges Objekt. Nach jahrelanger Lobbyarbeit, unzähligen Gesprächen mit Politikern und einer leidenschaftlichen Debatte im Deutschen Bundestag, die im Februar 1994 denkbar knapp mit einer Mehrheit von 292 zu 223 Stimmen für die Verhüllung endete, war der Weg frei. Vom 24. Juni bis zum 7. Juli 1995 wurde das Gebäude schließlich mit 100.000 Quadratmetern silbrig glänzendem, feuerfestem Polypropylengewebe verhüllt und mit fast 16 Kilometern blauem Seil verschnürt.
Dieses aufwendige Unterfangen, das ohne den Einsatz von Kränen, sondern mithilfe von 80 erfahrenen Kletterern realisiert wurde, zog rund fünf Millionen Besucher aus aller Welt an. Die Verhüllung des Reichstags wurde zu einem Symbol für den Aufbruch und den Neuanfang Deutschlands nach der Wiedervereinigung, ein Zeichen für demokratische Gelassenheit und die Freiheit der Kunst. Die Kosten für das Projekt von rund 15 Millionen US-Dollar trugen Christo und Jeanne-Claude stets selbst, finanziert durch den Verkauf von Vorstudien, Zeichnungen und Modellen.
Die aktuelle Lichtinstallation 2025: Eine digitale Neuinterpretation
Dreißig Jahre später soll dieses außergewöhnliche Ereignis durch eine moderne Lichtinstallation auf der Fassade des Reichstagsgebäudes neu interpretiert werden. Initiiert von Kulturmanager Peter Schwenkow und Unternehmer Roland Specker, handelt es sich um eine Hommage, die das damalige Kunstwerk virtuell wiederauferstehen lässt.
Details zur Lichtinstallation:
- Zeitraum: Vom 9. Juni bis zum 20. Juni 2025
- Tägliche Projektionen: Jeweils von 21:30 Uhr bis 1:00 Uhr nachts
- Ort: Die Westfassade des Reichstagsgebäudes
- Technik: Zum Einsatz kommen 24 Hochleistungsprojektoren, die die Illusion der Verhüllung auf die historische Fassade projizieren.
- Kosten und Finanzierung: Das Projekt hat ein Budget von etwa einer halben Million Euro, das von der Stiftung von Christo und Jeanne-Claude sowie von Schwenkow und Specker getragen wird. Es ist für die Öffentlichkeit kostenlos zugänglich.
- Besonderheit: Die Projektionen finden ausschließlich an parlamentsfreien Tagen statt, um den Betrieb des Bundestags nicht zu stören.
Diese Jubiläums-Illumination ist eine einzigartige Gelegenheit, die Magie des „Verhüllten Reichstags“ neu zu erleben – in einer zeitgemäßen Form, die die Erinnerung an dieses bahnbrechende Kunstprojekt lebendig hält und gleichzeitig Christo und Jeanne-Claudes visionäres Werk würdigt. Es wird erwartet, dass auch diese Lichtkunst-Aktion zahlreiche Besucher anlockt und die Stadt Berlin für knapp zwei Wochen in ein besonderes Licht taucht.
Ergänzende Ausstellungen und Veranstaltungen in Berlin
Parallel zur Lichtinstallation am Reichstag bietet Berlin weitere Möglichkeiten, in das Werk von Christo und Jeanne-Claude einzutauchen:
- Die Neue Nationalgalerie zeigt ab dem 11. Juni 2025 im Rahmen ihrer Sammlungspräsentation „Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft. Sammlung der Nationalgalerie 1945 – 2000“ ein weiteres ikonisches Werk des Künstlerpaares: den „Verpackten 1961 Volkswagen Käfer Saloon“.
- Im Reichstagsgebäude selbst gibt es eine Dauerausstellung zum „Verhüllten Reichstag, Berlin, 1971-95“, die Originalteile, Modelle, Dokumente, Fotos und Skizzen des Künstlers zeigt. Ein Besuch ist nach vorheriger Anmeldung über den Bundestag möglich.
Diese Lichtinstallation am Reichstag ist nicht nur eine Hommage an ein wichtiges Kapitel der Kunstgeschichte, sondern auch ein Zeichen für die fortwährende Lebendigkeit der Kunst im öffentlichen Raum und die Bedeutung des Dialogs zwischen Kunst und Gesellschaft. Lassen Sie sich dieses spektakuläre Ereignis nicht entgehen und erleben Sie, wie der Berliner Reichstag 30 Jahre nach seiner Verhüllung erneut zum Symbol für die transformative Kraft der Kunst wird.