Ein Abend, der noch lange nachhallen wird: The Cult haben am vergangenen Abend das Columbia Theater in Berlin nicht nur besucht, sondern es in seinen Grundfesten erschüttert. Es war ein triumphaler Beweis dafür, dass wahrer Rock’s’Roll-Geist keine Frage des Alters, sondern der Haltung ist. Wer dabei war, wurde Zeuge einer Band in Höchstform und einer Show, die von der ersten bis zur letzten Sekunde mitriss.
Das Ritual und der Urknall
Schon vor dem ersten Riff lag eine besondere Stimmung in der Luft des nahezu ausverkauften Theaters. Die Bühne wurde rituell mit Salbei „ausgeräuchert“ – eine spirituelle Reinigung, die perfekt zur Aura von Frontmann Ian Astbury passt und den Abend auf eine fast schamanische Ebene hob. Ein kurzes Innehalten, bevor die musikalische Eruption folgte. Während die Support-Band Samettianni das Publikum leider kaum erwärmen konnte, schalteten The Cult vom ersten Moment an auf 11. Mit dem Opener „In the Clouds“ eröffneten sie den Abend und brachten das Columbia Theater sofort zum Kochen. Die Energie, die von der Bühne ausging, war schlichtweg gewaltig.

Fotos (C)Dennis Hahn / BerlinMagazine.de
Die unbändige Kraft des Ian Astbury
Im Zentrum dieses Sturms stand ohne jeden Zweifel Ian Astbury. Was dieser Mann mit 63 Jahren für eine Bühnenpräsenz an den Tag legt, ist phänomenal. Er strotzte nur so vor Energie, rannte über die Bühne, als gäbe es kein Morgen, verbog seinen Körper in rocktypischen Posen und schleuderte auch mal den Mikrofonständer mit purer Hingabe zur Seite. Seine Stimme, dieses unverkennbare, kraftvolle Organ, hat über die Jahrzehnte nichts von ihrer Intensität verloren. Ob bei kraftvollen Rockern oder den hymnischeren Stücken – Astburys Gesang war das Herzstück der Show.
Fast ununterbrochen mit Tamburin oder Rasseln bewaffnet, peitschte er die Menge an und zeigte sich dabei auch noch großzügig: Ganze vier seiner Tamburine fanden im Laufe des Abends einen neuen Besitzer im Publikum. Es ist dieses einzigartige Gemisch aus ungezähmter Rock-Attitüde, einem tiefen Charisma und einer greifbaren Spiritualität, das Ian Astbury zu einem der ganz großen Frontmänner macht.


Fotos (C)Dennis Hahn / BerlinMagazine.de
Eine Setlist für Götter
Die Songauswahl war ein meisterhafter Ritt durch die beeindruckende Karriere der Band, der keine Wünsche offenließ. The Cult schlug gekonnt den Bogen von ihren frühen, treibenden Post-Punk-Wurzeln mit Klassikern wie dem energiegeladenen „Spiritwalker“ und „Ressurection Joe“ bis zu den großen Hard-Rock-Hymnen. Songs wie „Rise“ und „Wild Flower“ ließen die Riffs von Billy Duffy so scharf und präzise wie am ersten Tag klingen und verwandelten das Theater in einen Hexenkessel. Die Band zeigte auch ihre düstere, psychedelische Seite mit Stücken wie dem hypnotischen „The Witch„, „Mirror“ und dem epischen „Brother Wolf, Sister Moon„. Ein emotionaler Höhepunkt war zweifellos die Ballade „Edie (Ciao Baby)„, die für Gänsehaut sorgte, bevor der unsterbliche Klassiker „Rain“ die Menge wieder vereinte. Die Band war perfekt eingespielt und lieferte einen druckvollen, modernen Sound. Als dann als Höhepunkt des Hauptsets das ikonische Intro von „She Sells Sanctuary“ ertönte, explodierte die Halle förmlich. Es gab kein Halten mehr – ein kollektiver Moment purer Rock-Ekstase.


Fotos (C)Dennis Hahn / BerlinMagazine.de
Die Geschichte und Besetzung einer Kult-Band
Die Wurzeln von The Cult reichen zurück bis ins Jahr 1981, als Ian Astbury die Gothic-Rock-Band Southern Death Cult gründete. Nachdem Gitarrist Billy Duffy dazustieß, verkürzte man den Namen erst zu Death Cult und entschied sich 1984 endgültig für The Cult. Diese Namenswechsel spiegeln auch ihre musikalische Evolution wider. Während das Debütalbum „Dreamtime“ (1984) noch stark im Post-Punk und Gothic Rock verwurzelt war, gelang mit „Love“ (1985) und den Welthits „She Sells Sanctuary“ und „Rain“ der Durchbruch. Der entscheidende Wendepunkt kam mit dem Album „Electric“ (1987), produziert von Rick Rubin, das den Sound der Band radikal in Richtung eines rohen, von AC/DC inspirierten Hard Rocks verschob. Mit dem Nachfolger „Sonic Temple“ (1989) und Hits wie „Fire Woman“ zementierten sie ihren Status als Stadion-Rock-Größe. Nach internen Spannungen, mehreren Pausen und Wiedervereinigungen hat die Band heute eine unglaublich kraftvolle und stabile Formation gefunden. Die aktuelle Besetzung, die in Berlin auf der Bühne stand, besteht aus den beiden legendären Gründungsmitgliedern Ian Astbury (Gesang) und Billy Duffy (Gitarre), die durch eine felsenfeste Rhythmussektion ergänzt werden: John Tempesta (ehemals bei White Zombie, Testament) am Schlagzeug und Charlie Jones (spielte u.a. mit Robert Plant und Page) am Bass. Diese Besetzung bewies eindrucksvoll, dass sie das reiche Erbe der Band mit neuer, unbändiger Energie auf die Bühne bringen kann.
Zugaben und klare Worte
Doch mit „Sanctuary“ war der Abend noch nicht vorbei. Die Band kehrte für eine kraftvolle Zugabe zurück und feuerte mit der feurigen Hymne „Fire Woman“ und dem alles zermalmenden „Love Removal Machine“ die letzten Energiereserven ab. Ganz zum Schluss ergriff Ian Astbury noch einmal das Wort und fand kritische Anmerkungen für die Promoter in Deutschland, die seiner Meinung nach zu sehr auf große Stadionkonzerte fixiert seien und dabei die intimeren Club-Shows vernachlässigen würden. Man konnte ihm nur beipflichten. Ein Konzert wie dieses, diese Nähe und diese unfassbare Energie, wäre in einer riesigen Arena verloren gegangen. Es wäre mehr als schade, wenn Bands mit dem Kult-Status von The Cult keine passende Bühne mehr finden würden.


Dieser Abend in Berlin war mehr als nur ein Live-Konzert. Es war eine laute, schweißtreibende und letztlich spirituelle Erfahrung, die zeigte: The Cult sind nicht nur Legenden – sie sind auch in der Gegenwart eine Macht.
Hast du The Cult auch schon live erlebt oder warst du sogar bei diesem unvergesslichen Abend im Columbia Theater dabei? Teile deine Eindrücke und Erinnerungen in den unten in Kommentaren! Wir sind gespannt auf deine Geschichten und Meinungen zu dieser legendären Band.
Eine schöne Besprechung. Anders als in der Rezension behauptet, wurde „Brother Wolf; Sister Moon“ an jenem Abend aber nicht gespielt.