Am Montagabend versammelten sich tausende Metal-Fans in der Berliner Waldbühne, um ein ganz besonderes Konzert zu erleben: Slipknot, die die Waldbühne in Berlin in ein tobendes Meer aus Energie und Leidenschaft verwandeldn sollten. Doch der Weg dorthin war nicht ohne Turbulenzen: Ein massives Unwetter mit stürmischen Böen hatte Berlin fest im Griff und sorgte nur kurz vor dem geplanten Einlass für ein unerwartetes „Chaos“, für das sonst eigentlich die maskierten Herren aus Iowa bekannt sind. Doch wie durch ein Wunder beruhigte sich die Naturgewalt pünktlich zum Konzertbeginn und die Waldbühne präsentierte sich in bester Open-Air-Manier – bereit für eine unvergessliche Nacht. Das Event versprach Intensität, Emotion und rohe Energie – und lieferte genau das, trotz der außergewöhnlichen Umstände.

Über 25 Jahre Slipknot – eine Metal-Ikone im Wandel
Slipknot wurde 1995 in Des Moines, Iowa, gegründet und hat sich seitdem zu einer der bedeutendsten und polarisierendsten Bands im modernen Metal entwickelt. Mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum (1999) setzten sie neue Maßstäbe in Sachen Aggression, Ästhetik und musikalischer Wucht. Die neun maskierten Musiker sorgten nicht nur mit ihrem rohen Sound, sondern auch mit ihrer chaotischen und kompromisslosen Live-Performance für weltweites Aufsehen. Alben wie „Iowa“, „Vol. 3: (The Subliminal Verses)“ und „We Are Not Your Kind“ zählen zu den einflussreichsten Releases im Metal der letzten Jahrzehnte.
Neben dem musikalischen Output sind es auch die charakteristischen Masken, das markante Bandlogo und die individuelle Nummerierung der Mitglieder, die Slipknot zu einem echten Kult gemacht haben.
In ihrer langen Karriere hat Slipknot zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter einen Grammy für „Before I Forget“, und Milliarden von Streams generiert. Die Band hat sich trotz stilistischer Veränderungen und Herausforderungen wie dem Verlust von Gründungsmitgliedern wie Bassist Paul Gray und dem langjährigen Schlagzeuger Joey Jordison (der die Band 2013 verließ) immer wieder neu erfunden. Die aktuelle Besetzung umfasst Frontmann Corey Taylor, DJ Sid Wilson, Bassist Alex Venturella, Perkussionist Michael Pfaff, die Gitarristen Mick Thomson und James Root, Perkussionist Shawn „Clown“ Crahan sowie die jüngsten Mitglieder Eloy Casagrande (Schlagzeug, seit April 2024) und Jeff Karnowski (Sampler, seit 2024).
Ein Sturm zur Begrüßung
Schon bevor das erste Gitarrenriff erklang, bot der Abend eine dramatische Kulisse: Pünktlich zum Einlass gegen 16:00 Uhr zog ein heftiges Unwetter mit Starkregen und Sturm über den Olympiapark zur Waldbühne. Regenponchos, Pfützen und umherfliegende Festivalhüte prägten die Szenerie. Doch das Wetter beruhigte sich rechtzeitig – bis zum ersten bzw. während des Support-Act klarte der Himmel auf und lieferte perfektes Open-Air-Wetter für den Rest des Abends.
Zwei starke Vorboten: Soft Play und Polaris eröffnen den Abend
Der Abend begann früh – und laut. Um 17:45 Uhr eröffneten Soft Play (früher bekannt als Slaves) mit ihrem rotzig-rotzfrechen Punkrock das Programm. Das britische Duo kombinierte rohe Energie mit lakonischem Humor und schaffte es trotz des noch eintrudelnden Publikums, die Waldbühne wachzurütteln. Ihre Mischung aus Garage-Punk und Post-Punk-Attitüde war zwar stilistisch weit von Slipknot entfernt, sorgte aber gerade deshalb für einen erfrischenden Kontrast.
Direkt im Anschluss übernahmen um 18:45 Uhr die australischen Polaris das Ruder – und legten die Messlatte für den Abend spürbar höher. Mit kraftvollem Modern Metal und tief emotionalen Texten trafen sie den Nerv der frühen Maggots. Frontmann Jamie Hails agierte mit ungeheurer Präsenz, und Songs wie „Lucid“ oder „Inhumane“ entfalteten im Halbrund der Waldbühne ihre volle Wucht. Ein intensives, aufrichtiges Set, das die Menge spürbar auf Temperatur brachte – und Slipknot den perfekten Boden bereitete.
Das Konzerterlebnis in der Waldbühne: Pure Energie und emotionale Momente
Obwohl die Waldbühne nicht restlos ausverkauft war, war die Stimmung phänomenal und die Energie schier grenzenlos. Von der ersten Sekunde an, also Slipknot um 20:15 Uhr die Bühne betraten, brodelte die Waldbühne vor intensiver Energie. Der Sound war gewaltig, mit einem Bass, der „ordentlich knallte“ und die Fans dazu brachte, Fäuste in die Luft zu reißen und aus tiefster Kehle mitzuschreien. Im Innenraum bildeten sich pulsierende Moshpits, während auch die Ränge der Waldbühne in das energiegeladene Geschehen eintauchten.
Sänger Corey Taylor bewies einmal mehr seine Meisterschaft als Frontmann, motivierte das Publikum immer wieder zum Mitmachen und „mitbrüllen“ und bedankte sich zwischendurch aufrichtig für die über zwei Jahrzehnte andauernde Treue der Fans.
Die vollständige Setlist des Abends, die für eine Stunde und 30 Minuten puren Slipknot-Wahnsinn sorgte, bot eine Mischung aus Klassikern und Überraschungen, die das Publikum in Ekstase versetzte:
- Knight Rider Theme (Intro)
- 742617000027 (Intro)
- (sic): Der explosive Opener, der die Waldbühne sofort in einen kochenden Kessel verwandelte.
- People = Shit: Ein absoluter Fan-Liebling, der die Menge zum kollektiven Ausrasten brachte und die Waldbühne zum Beben brachte.
- Gematria (The Killing Name): Ein besonderes Highlight des Abends! Slipknot spielte diesen Song zum ersten Mal seit 2008 live, was bei vielen Fans für ungläubiges Staunen sorgte, da Corey Taylor in der Vergangenheit angedeutet hatte, dieser Song würde aufgrund bandinterner Unstimmigkeiten nie live gespielt werden. Eine echte Überraschung für die Maggots.
- Wait and Bleed: Ein Klassiker, der die Waldbühne in eine singende Menge verwandelte und das Gefühl von Nostalgie und roher Energie perfekt vereinte.
- Nero Forte: Ein moderner Hit, der mit seinem eingängigen Rhythmus und brutalen Breakdowns die Fans gleichermaßen begeisterte.
- Yen: Ein tiefer, atmosphärischerer Track, der die Vielseitigkeit der Band zeigte.
- Psychosocial: Einer der größten Hits der Band, der die gesamte Waldbühne in einen Chor verwandelte und für unvergessliche Momente sorgte.
- Tattered & Torn (Sid Wilson remix): Eine einzigartige Version eines älteren Tracks, die die experimentelle Seite von Slipknot unterstrich und die Energie aufrechterhielt.
- The Heretic Anthem: Ein kompromissloser Track, der das ursprüngliche Aggressionslevel der Band wieder aufleben ließ.
- The Devil in I: Ein weiterer beliebter Hit, der das Publikum mitriss und für intensive Moshpits sorgte.
- Unsainted: Ein kraftvoller Song vom aktuellen Album, der mit seiner Hymnenhaftigkeit überzeugte.
- Duality: Der absolute Überhit, bei dem die gesamte Waldbühne in einer gigantischen Crowd-Performance schwelgte und Corey Taylor das Publikum dazu animierte, sich auf den Boden zu setzen und dann explosionsartig aufzuspringen.
- Mudslide (Percussion Solo): Eine Gelegenheit für die Perkussionisten, ihr Können zu zeigen und die Spannung vor dem Finale aufzubauen.
- Spit It Out: Ein weiterer Klassiker, der das Publikum zum Headbangen brachte und die rohe Energie der Band perfekt einfing.
- Surfacing: Der Beginn des Zugabenblocks und ein weiterer Fan-Favorit, der die Energie für das Finale noch einmal nach oben trieb.
- Scissors: Als letzter Song setzte Slipknot einen unerwarteten, aber kraftvollen Schlusspunkt, der an die älteren Zeiten der Band erinnerte und einen intensiven und denkwürdigen Abschluss bildete.



Bemerkenswerte Abwesenheiten und reduzierte Bühnenpräsenz
Wie bei den letzten Konzerten der aktuellen Europatour fehlte auch in Berlin Shawn „Clown“ Crahan. Seine Abwesenheit ist auf eine familiäre Notlage zurückzuführen, da er bei seiner Frau sein muss, die sich in einer medizinischen Behandlung befindet, wo sie Unterstützung benötigt.
Die Bühnenshow war im Vergleich zu früheren Tourneen reduzierter, verzichtete auf Pyrotechnik, setzte aber auf eine beeindruckende Licht- und Stroboskop-Show. Auch ikonische Elemente wie die auf der Bühne verteilten Tonnen waren weiterhin präsent und trugen zur einzigartigen Atmosphäre bei. Das Energielevel der Band war während des gesamten Konzerts durchweg sehr hoch, und die Performance wurde von Fans für ihre Intensität gelobt.
Der Klang war messerscharf, druckvoll und ohne überschüssiges Geknatter – ideal für ein archaisches aber kontrolliertes Erlebnis. Der Pit brodelte, wurde gestützt, Moshpit-Meisterschaft pur. Die Ränge zitterten im Gleichklang – ein Kollektiv, das sich über Ränge und Invisible Divides hinweg selbst formte.






Fotos (C)Dennis Hahn / BerlinMagazine.de
Fazit: Tight, brutal, künstlerisch versiert – People = Energie: Slipknot elektrisieren Berlin
Das Konzert von Slipknot in der Berliner Waldbühne war eine Demonstration der unverwüstlichen Kraft einer Band, die seit über 25 Jahren die Grenzen des Metals neu definiert. Was mit stürmischem Chaos vor den Toren der Waldbühne begann, mündete in einem Triumphzug, bei dem Slipknot einmal mehr bewies, dass sie Meister der intensiven Live-Performance sind.
Die Band, die sich über Jahrzehnte hinweg durch unverkennbare Masken, eine einzigartige Bühnenpräsenz und eine kompromisslose musikalische Entwicklung definiert hat, lieferte eine Show ab, die trotz reduzierter Pyrotechnik in puncto Energie und Engagement keine Wünsche offenließ. Die Abwesenheit von „Clown“ Shawn Crahan wurde durch die geballte Power der verbleibenden Musiker, allen voran Frontmann Corey Taylor, mühelos kompensiert. Taylor führte die Maggots – wie sich die Fans selbst nennen – mit unermüdlicher Energie und aufrichtiger Dankbarkeit durch eine Setlist, die sowohl Klassiker wie „(sic)“, „People = Shit“ und „Duality)“ als auch die sensationelle Wiederauferstehung von „Gematria (The Killing Name)“ beinhaltete.
Der Sound „knallte“ förmlich, die Moshpits tobten, und die gesamte Waldbühne, ob im Innenraum oder auf den Rängen, war ein einziger Resonanzkörper der kollektiven Leidenschaft. Slipknot hat bewiesen, dass sie auch ohne alle Gründungsmitglieder und nach über zwei Jahrzehnten im Geschäft nichts von ihrer Relevanz und ihrer Fähigkeit verloren haben, Tausende von Menschen in ihren Bann zu ziehen. Das Konzert in Berlin war ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass Slipknot nicht nur eine Band ist, sondern ein Phänomen in ihrem Genre ist, das auch in den kommenden Jahren sicher noch auf den Bühnen der Welt stehen wird.