Berlins Hauptstadt bereitete sich Mitte Mai auf ein wahrhaft spektakuläres Ereignis vor: Vom 16. Mai bis zum 20. Juli 2025 gastierte das neue Programm Memento Mori – Deine letzte Stunde des Zirkus des Horrors auf dem Zentralen Festplatz . Am Freitag war die Premiere in Berlin und wir waren für euch dabei und haben uns voll und ganz dem schaurigen Spektakel für euch hingegeben und die ersten Eindrücke vom neuen Programm mitgebracht.
Theater der Verdammten: Bühnenbild & Storytelling
Schon beim Betreten des schummrig beleuchteten Festplatz-Vorzelts blickte man in grinsende Totenkopfriesen und kampfbereite „Erschrecker“, die den Gästen mit neckischen Gruselschreien und zotigen Bemerkungen begrüßten. Das Ambiente war bis ins letzte Detail durchgestylt: Nebelschwaden waberten durch verlassene Wäldchen-Dekoration, knarrende Ketten und zerfetzte Vorhänge verstärkten den Gänsehaut-Effekt. An den Foodständen gab es bunte Cocktails und dampfende Drinks mit rauchenden Effekten – eine liebevoll inszenierte Horrorkulisse. Ganz im Stil des Zirkus blieb die Show diesem Konzept treu: Sie vereint laut Ankündigung „spektakuläre Artistik, halsbrecherische Stunts, schräge Comedy und irre Freaks in der wohl außergewöhnlichsten Show Europas“, und auch das Vorprogramm lieferte reichlich Vorboten davon.
Der Blick in die Manege war sofort atemberaubend: Ein monumentales Bühnenbild, das an eine Gefängnis mit Grabsteinen davor erinnerte, dominierte den Zeltboden. Flackernde Kerzen und ein ratterndes Uhrwerk – alle Requisiten schienen den Tod selbst heraufzubeschwören. Die kühle Beleuchtung tauchte die Szenerie ins Halbdunkel und ließ Schatten über knöcherne Dekor-Objekte tanzen. Jeder Aufbau wirkte dabei wie ein Kapitel eines Theaterstücks. Dabei wurde nie nur Show geboten – die atemberaubenden Stunts und rasanten Akrobatiknummern waren durchweg konsequent in die düstere Geschichte eingebettet. Licht, Soundeffekte und Kostüme verwoben sich zu einem stimmigen Ganzen, das die Illusion einer makabren Inszenierung der „letzten Stunde“ erzeugte. Der rote Faden wurde augenzwinkernd erkennbar vorangetragen, ohne je zuckersüß oder plump moralisch zu wirken.





Fotos (C)Dennis Hahn / BerlinMagazine.de
Vom Leben in den Tod: Die düstere Geschichte von Memento Mori
Das Herzstück von Memento Mori war die Horror-Erzählung, die sich wie eine sich zuspitzende Schicksalsfabel durch den Abend zog. Im Zentrum stand ein arroganter Lebemann, der sein Leben lang skrupellos gehandelt und Frauen verachtet hatte. Auf der Bühne sah man ihn in wüsten Szenen – wie er über Leichen geht, ohne Reue. Seine letzte Stunde schlägt, als höllische Gestalten ihn verurteilen: Zähneknirschend wird er verfolgt, bis er kopfüber in einem in dem Fängen des Jenseits landet. Die Show zog das Publikum so unaufhaltsam in diese schaurige Welt, dass man „wie in einen Albtraum“ hineingezogen wurde. Erst ganz am Ende erhielt der Protagonist seine gerechte Strafe im Jenseits – ein apokalyptischer Schlussakt, der den roten Faden aus Bosheit, Sühne und Vergeltung perfekt abschloss.
Akrobatik im Angesicht des Todes: Die spektakulären Highlights
Die Vorstellung begann atemberaubend mit einer Kontorsionsnummer: In einem schaurigen „Rockeroutfit“windet sich die Artistin fast vogelgleich über den Boden, schlingt ihre Arme und Beine wie lebendige Bandagen umeinander und verbiegt sich gekonnt und erschaunlich mühelos. Dieser verhalten schöne und zugleich unheimliche Anblick ließ die Zuschauer das Herz stolpern. Kurz danach herrschte ein Raunen, denn die nächsten Show-Acts jagten einem das Blut in den Adern zusammen.
- Rollschuh-Artist:innen: Wie von Sinnen stieben Akrobaten im schaurigen Outfit blitzschnell über die Manege, schlugen Saltos auf Rollschuhen und wirbelten Pirouetten, als hätten sie Flügel. Die Geschwindigkeit war atemberaubend und sorgte für wilde Begeisterung.
- Fliegende Stange: An einer waagerecht hochgezogenen Stange zeigten Artistinnen unglaubliche Kraft und Flexibilität: Sie schraubten sich um den Stab, hielten sich nur mit den Fingerspitzen fest und spannten ihren Körper in atemberaubende Positionen, die den Atem stocken ließen.
- Trapeznummer: Hoch über der Manege vollführten die Akrobat:innen grazile Flüge und Loopings an einem silberglänzenden Trapez. Ihr Flug anmutete wie ein Tanz auf dünnem Draht – jederzeit sah es aus, als könnten sie frei durch die Luft segeln.
- Todesrad: Ein gigantisches, rotierendes Stahlrad öffnete sich für zwei Männer, die darauf voller Vertrauen riskante Figuren zeigten. Hoch oben auf der Scheibe sprangen sie Seilspringen – und das teilweise mit verbundenen Augen. Jede Drehung des Rades ließ das Publikum erschaudern und den Atem anhalten.



Fotos (C)Dennis Hahn / BerlinMagazine.de
Schwarzer Humor & Flammenzauber: Der „Clown“ von Memento Mori
Durch das makabre Geschehen führte ein herzlicher Entertainer aus Thüringen, der wie ein moderner „Horror-Clown“ wirkte. Mit schelmischem Grinsen und spitzer Zunge plauderte er zwischen den Szenen locker mit dem Publikum, warf Scherze über den Wahnsinn auf der Bühne und munterte die Zuschauerschar auf. Dabei bezog er die Gäste mit ein – wer schüchtern lachte, wurde gekonnt in eine kleine Geister-Einlage verwickelt. Besonders das knisternde Feuerspiel, das er mit verspielter Selbstironie präsentierte, ließ die Spannung vor den Nummern zusätzlich steigen. Dieser charmante, humorvolle Moderator lockerte die düstere Szenerie auf, ohne den Horror zu zerstören – im Gegenteil, sein schwarz-komischer Charme passte perfekt zum Zirkus des Horrors.


Fotos (C)Dennis Hahn / BerlinMagazine.de
Vom Schocker zur Show: Wie sich der Zirkus des Horrors neu erfunden hat
Im Gegensatz zum letzten Programm Infernum und auch vorherigen Programmen lag der Schwerpunkt diesmal weniger auf schockierender Splatter-Ästhetik. Memento Mori setzte bewusst auf Erzählung und Atmosphäre statt bloße Schockeffekte. Wo früher noch Fleischhaken und extreme Body-Modification-Acts derben Ekel erzeugten, gab es nun vor allem eine stimmige Story und abwechslungsreiche Inszenierung. Die blutigen Nebenakte waren sparsamer eingesetzt, stattdessen baute man die Spannung über überraschende Effekte und Musik auf. Dies machte den Ablauf runder und überraschender: Jeder Akt ergab dramaturgisch Sinn und wechselte sich mit humorvollen Momenten ab. Insgesamt wirkte Memento Mori dadurch deutlich schlüssiger und unterhaltsamer als sein Vorgänger – statt nervenzerfetzender Dauergrusel gab es nun Tiefgang, Sinn für Dramatik und ein Wechselbad der Gefühle.
Von Stahl zu Standing Ovations – Der letzte Akt von Memento Mori
Im fulminanten Finale kreischte die Manege unter dem Lärm von fünf brüllenden Motoren: Die Stahlkugel wurde zum Ort der Apokalypse, in dem die waghalsigen Fahrer eine gemeinsame Todesfahrt absolvierten. Funkenregen stob in die Luft, als sich die Motorräder in rasender Furcht-Tempomischung umkreisten – ein Inferno aus Stahl und Geschwindigkeit, das jedem Zuschauer Schwindel bereitete. Als schließlich das letzte Motorrad abrupt anhielt, wurde der tosende Lärm zu ohrenbetäubendem Jubel.
Und dann zeigten sich nochmals alle Protagonisten des Abends auf der Bühne und holten sich ihren verdienten Schlussapplaus und Standing Ovations ab.
Der Zirkus des Horrors beweist mit Memento Mori, dass modernes Entertainment mehr sein kann als bloßer Nervenkitzel. Die Show vereint hochkarätige Artistik, dramatisches Storytelling, visuelle Kraft und eine klare künstlerische Handschrift, die in jeder Szene spürbar ist. Statt auf platte Schockmomente setzt die Inszenierung auf Tiefe, Atmosphäre und durchdachte Übergänge – und das mit großem Erfolg.
Ob man als Fan von Gruselästhetik, als Liebhaber von Akrobatik auf höchstem Niveau oder als neugieriger Zuschauer kommt: Man verlässt das Zelt mit klopfendem Herzen, breitem Lächeln – und vielleicht einem leichten Schaudern im Nacken.
Ein Pflichtbesuch für alle, die sich nach einer Show sehnen, die unterhält, begeistert und im Gedächtnis bleibt. Memento Mori ist keine Zirkusnummer von der Stange – es ist ein Erlebnis, das unter die Haut geht.



Fotos (C)Dennis Hahn / BerlinMagazine.de